Fürsorgeerziehung im Zeichen des Hakenkreuzes bedeutete eine gewaltsame Anpassung an die nationalsozialistische "Volksgemeinschaft". Wer den radikalen Normen des Regimes von Gehorsam, Disziplin, Leistungsbereitschaft und Hass auf die "anderen" nicht gehorchen konnte oder wollte, geriet in die Fänge einer Zwangspädagogik, die es an Grausamkeit zuweilen mit den Konzentrationslagern aufnehmen konnte.
Die wichtigste Einrichtung der Stadt war die 1940 neu gegründete Wiener städtische Jugendfürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund". Hier wurden nicht nur behinderte Kinder selektiert und getötet (Pavillon 15), sondern auch Jugendliche aus ganz Wien als "schwererziehbar" oder "asozial" eingesperrt. Die Stadt Wien internierte in Zusammenarbeit mit den Jugendgerichten Hunderte von auffälligen Kindern und Jugendlichen auf dem Spiegelgrund, wo sie psychiatrisch und psychologisch begutachtet und durch brutale Disziplin gebrochen werden sollten. Ein dichtes Netz von Erziehungsberatern, Fürsorgerinnen, Amtsärzten, Psychiatern und LehrerInnen stellte die ständige Überwachung der Wiener Jugendlichen sicher. Wer den Normen der militarisierten NS-Jugenderziehung nicht entsprach, riskierte einen Aufenthalt am Spiegelgrund.
Bei aller Brutalität hatte allerdings selbst der Spiegelgrund noch eine Steigerungsstufe: Wer hier als "unerziehbar" beurteilt wurde, konnte in ein "Jugendschutzlager" eingewiesen werden - Konzentrationslager für Jugendliche unter der Führung der SS, die sich kaum von den anderen KZ unterschieden. Ein solches Lager für Mädchen bestand in Uckermark (Brandenburg), eines für Burschen in Moringen (Niedersachsen). Der Reichsgau Wien stand bei der Zahl der Einweisungen an der Spitze.