Das Wiener Hauptgesundheitsamt und die "Erb- und Rassenpflege"
Noch im Jahr 1938 begann der Umbau des Wiener Gesundheitssystems nach dem Vorbild des "Altreiches". Den Grundsätzen der Rassenhygiene entsprechend setzte man alles daran, bestimmte Bevölkerungsgruppen als "erbbiologisch minderwertig" bzw. "förderungsunwürdig" von Leistungen der Sozial- und Gesundheitsfürsorge auszuschließen.
Das wichtigste Instrument der NS-Rassenhygiene waren die Gesundheitsämter, die einen massiven Ausbau erfuhren. Sie waren verantwortlich für die "erbbiologische Bestandsaufnahme" in Form einer "Erbkartei" und einer "Sippenkartei". Die gesamte Wiener Bevölkerung wurde nach so genannten "Minderwertigen" durchkämmt. Die Abteilung "Erb- und Rassenpflege" im Hauptgesundheitsamt sammelte alle erreichbaren belastenden Informationen: psychische Erkrankungen, durchgemachte Geschlechtskrankheiten, Prostitution, Alkoholismus, Erbkrankheiten, geistige und körperliche Behinderungen etc.
Die Wiener Erbkartei war eine der größten im Deutschen Reich. Im Laufe der Zeit wurden mehr als 700.000 Karteikarten erstellt. Auf dieser Grundlage verfolgten die Behörden eine Strategie der systematischen Diskriminierung der als "minderwertig" erfassten Personen. Die Folgen für die Betroffenen reichten von der Verweigerung von Sozialleistungen über Zwangsmaßnahmen wie Eheverbot, Sterilisierung oder Internierung in einem Arbeitslager oder Jugend-KZ bis zur Ermordung im Rahmen der "Kindereuthanasie".