Nach den rassistischen und biologistischen Auffassungen des Nationalsozialismus stand nicht die Sorge um die einzelnen Kranken, sondern der Schutz des "Volkskörpers" und insbesondere die Reinhaltung der "völkischen Erbmasse" im Mittelpunkt der NS-Medizin. Das menschliche Leben wurde einer erbarmungslosen Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen. Für "Minderwertige" oder nicht Leistungsfähige war in der "Volksgemeinschaft" kein Platz.
Bald nach der "Machtergreifung" 1933 erließ das NS-Regime auf dem Gebiet der "Erb- und Rassenpflege" (Rassenhygiene) zum Zweck der "Aufartung der arischen Herrenrasse" gesetzliche Vorschriften. Die "rassisch Minderwertigen" sollten an der Fortpflanzung gehindert werden. Die erste verbrecherische Maßnahme war die mit Gesetz vom 14. Juli 1933 staatlich angeordnete Sterilisierung von "Erbkranken". Als "Erbkrankheiten" galten "angeborener Schwachsinn, Schizophrenie, zirkuläres (manisch-depressives) Irresein, erbliche Fallsucht (Epilepsie), erblicher Veitstanz (Huntingtonsche Chorea), erbliche Blindheit und Taubheit, schwere erbliche körperliche Missbildung" sowie schwerer Alkoholismus. Andere Krankheiten wurden von Wissenschaftlern als mögliche Kandidaten für eine Ausweitung des Gesetzes diskutiert und in einzelnen Regionen auch bereits extralegal in die Aktion miteinbezogen.
Angeblich Erbkranke mussten von Gesundheitsämtern bzw. Amtsärzten den Erbgesundheitsgerichten angezeigt werden, die die Unfruchtbarmachung in einem gerichtlichen Verfahren beschlossen und in einem öffentlichen Krankenhaus - im Weigerungsfall unter Zwang - durchführen ließen. Begleitet wurde dieses Vorgehen von einer intensiven Propaganda, die die rassenhygienischen Auffassungen vor allem über Film, Presse und Schule auf breiter Ebene in die Bevölkerung trug. Bis 1940 dürften im Deutschen Reich an die 360.000 Menschen sterilisiert worden sein.