Die Vorbereitungen für die systematische Erfassung und Vernichtung behinderter Kinder liefen seit dem Frühjahr 1939. Zu diesem Zweck wurde in der "Kanzlei des Führers" in Berlin eine eigene Tarnorganisation eingerichtet: der Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden. Im August 1939 verpflichtete ein geheimer Runderlass Ärzte und Hebammen zur Meldung aller Fälle von "Idiotie" und verschiedenen Missbildungen an die Gesundheitsämter. Diese veranlassten die Einweisung der Betroffenen in so genannte "Kinderfachabteilungen", die entweder in bestehenden Einrichtungen oder als eigenständige Anstalten errichtet wurden. Im ganzen Deutschen Reich existierten mindestens 30 dieser getarnten Tötungszentren.
Die Wiener "Kinderfachabteilung" wurde im Juli 1940 auf dem Gelände der Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" errichtet. Sie war zunächst Teil der Wiener städtischen Jugendfürsorgeanstalt "Am Spiegelgrund" und wurde 1942 als Wiener städtische Nervenklinik für Kinder "Am Spiegelgrund" eine selbstständige Anstalt. Sie unterstand letztlich dem Stadtrat für das Wiener Gesundheitswesen Prof. Max Gundel. Die dort beschäftigten Ärztinnen und Ärzte (der Anstaltsdirektor Dr. Erwin Jekelius, sein Nachfolger Dr. Ernst Illing, Dr. Heinrich Gross, Dr. Marianne Türk, Dr. Margarete Hübsch) untersuchten die Kinder mit zum Teil qualvollen Methoden und meldeten sie nach Berlin, wenn sie für eine Tötung in Frage kamen. Dort entschieden drei Gutachter des "Reichsausschusses" über deren Schicksal. War die Tötungsermächtigung in Wien eingelangt, wurden die Kinder mit hochdosierten Schlafmitteln langsam vergiftet, bis sie an Lungenentzündung oder einer anderen Infektionskrankheit starben. Einige der Kinder wurden auch als Versuchskaninchen für tödliche Experimente missbraucht: Dr. Elmar Türk von der Universitäts-Kinderklinik testete an ihnen einen Impfstoff gegen Tuberkulose.
Zwischen 25. August 1940 und 3. Juni 1945 starben mindestens 789 Kinder und Jugendliche am Spiegelgrund.