Eugenik und Rassenhygiene als Fundamente der NS-Ideologie
Ende des 19. Jahrhunderts entstand in Großbritannien zwischen Anthropologie, Medizin und Biologie eine neue Disziplin, für die ihr Begründer Francis Galton die Bezeichnung "Eugenik" prägte. Durch gezielte Förderung "wertvoller" Individuen ("positive Eugenik") und durch Ausschließung von TrägerInnen angeblich minderwertigen Erbgutes von der Fortpflanzung ("negative Eugenik") sollte eine genetische Verbesserung des Menschen erzielt werden. Diese Ideen fanden in der Öffentlichkeit vieler europäischer Länder und in Nordamerika großen Anklang.
In Deutschland war es die völkische Rechte (aus der sich der Nationalsozialismus entwickelte), die sich unter der Bezeichnung "Rassenhygiene" eine besonders radikale Form der Eugenik auf die Fahnen schrieb. Den Rassenhygienikern ging es weniger um die Verhinderung individuellen Leides als traditionelle Aufgabe der Medizin als um die biologische Absicherung der Macht des "arischen Herrenmenschen". Die NS-Rassentheoretiker glaubten das deutsche Volk in seiner Substanz bedroht: durch "Vermischung" mit "Fremden" (Juden, Slawen, Roma und Sinti u.a.) und durch Vermehrung der "Minderwertigen" des "eigenen" Volkes (Menschen mit geistigen Behinderungen, psychisch Kranke, Angehörige sozialer Randgruppen).
Nachdem die Nationalsozialisten die Macht übernommen hatten, gingen sie an die Umsetzung ihrer Ausgrenzungs- und Vernichtungspläne. Den Anfang machte ein Gesetz zur Zwangssterilisation - das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933. Die im September 1935 erlassenen "Nürnberger Gesetze" bildeten dann die Grundlage für den systematischen Ausschluss der Jüdinnen und Juden aus der deutschen Gesellschaft. Ehen und Geschlechtsverkehr zwischen "Juden" und "Ariern" wurden verboten und als "Rassenschande" gerichtlich verfolgt. Gleichzeitig wurde das "Ehegesundheitsgesetz" erlassen, das Eheverbote für "erbbiologisch Minderwertige" vorsah. Die zwangsweise Sterilisierung von Menschen gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits zu den Routinemaßnahmen der NS-Gesundheitspolitik.
In Österreich war es vor allem die Wiener Gesellschaft für Rassenpflege (Rassenhygiene), die seit ihrer Gründung 1925 entsprechende Ideen an den Universitäten und in der Öffentlichkeit verbreitete. Bereits lange vor 1938 handelte es sich bei der Gesellschaft um eine nationalsozialistische Tarnorganisation.