Interview Karl Jakubec
Ja, also. Meine Eltern, die habe ich eigentlich erst in späteren Jahren kennengelernt. Meine Mutter und mein Vater waren geschieden. Das hat sich aus den Berichten ergeben. Ja, der eine war aggressiv und grob, die andere, die Mutter, war wieder selbstmordgefährdet. Also, es hat eben nicht harmoniert, also die haben sich scheiden lassen.
Ich bin zweimal auf den Spiegelgrund gekommen. Das erste Mal war ich ein Baby, da bin ich von der Mutter weggenommen worden. Ach, da kann ich mich nicht erinnern, wieso. Da kann ich den Grund nur aus den Unterlagen [herauslesen], aufgrund des geistig[en Zustands], Selbstmordversuch und bla, bla, bla. Das zweite Mal bin ich gekommen, ich habe ja den Klumpfuß gehabt. Das heißt, ich war ja gehbehindert. Ich habe ja nicht gehen können. Also daran kann ich mich noch erinnern, ich habe ja nicht gehen können. Ich bin ja nur dahingekrabbelt und so. Und was ich so gehört habe und herausbekommen habe, von Leuten, die mich kennen, die älter sind, die mich kennen vom 15er Pavillon und so, dass man mich ja eigentlich gar nicht weiterleben lassen wollte, nicht wahr.
„Aus der Krankengeschichte des Karl Jakubec, Pavillon 15. Er stammte aus einer erbbiol[ogisch]…“ – Wenn ich das „erbbiologisch“…, da kommt mir schon die Galle wieder hoch! – „Erbbiologisch minderwertigen Familie. Die Mutter des Kindes war nach einem Selbstmordversuch vier Jahre lang in der Irrenanstalt. Die Diagnose lautete Psychopathie mit Epilepsieformen, Anfällen. Die Patientin wird als leicht schwachsinnig bezeichnet. Vater der Mutter des Kindes war angeblich Epileptiker. Der Vater des Kindes soll nervös und jähzornig sein. Die Mutter, die nach Entlassung aus der Irrenanstalt geheiratet hatte, lebt seit 1939 vom Vater getrennt. Das Kind hat einen angeborenen Klumpfuß links, ein Schwachsinn leichten Grades lässt sich aufgrund der Untersuchungen und Beobachtung auf Pavillon 15 nicht mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit feststellen. Es muss erst die weitere Entwicklung abgewartet werden. Karl wird in das Kinderheim Frischau überstellt.“
Ja, ich glaube das war in Frischau, und zwar haben wir da immer, das war schon im ’44er/’45er Jahr war das, da haben wir immer müssen…, da war die große Bombardierung zum Schluss, zu Kriegsende, nicht wahr, da haben sie ja alles zerstört gehabt, und da haben wir immer, wenn die Sirene losgegangen ist, haben wir über den ganzen Hof rennen müssen und in den Keller hinunterrennen. Das war so ein Luftschutzkeller, in Wahrheit eigentlich nur ein Keller, war ja sonst nichts drinnen, nicht. Und wir mussten so lange drinnen bleiben, bis wir wieder frei… Da sind wir oft tagelang unten gewesen, da sind wir tagelang unten gewesen, da haben wir uns nur ernährt von Wasser und Brot und ein paar Äpfeln, und was halt da unten gewesen ist. Also da haben wir nicht heraus können, wie sie da bombardiert haben. Also erst bis es wieder geheißen hat, die Bombardierung hat jetzt nachgelassen, dann haben wir wieder hinauf können. Dann sind wir wieder über das ganze Ding hinauf, und bei uns wieder Ding... Also, es hat oft nicht gedauert ein, zwei Tage, und wir waren schon wieder unten im Keller, und sind schon wieder Ding... Also das war so das Kriegsende. Da ist aber fest bombardiert worden. Also da kann ich mich..., da sind alle gerannt, jeder [Hand] in Hand, und sind wir nachgerannt, nicht wahr. Das war so Ende meiner Kindergartenjahre. Das war so ’44/’45. ’39 bin ich auf die Welt gekommen, fünf, sechs Jahre, das waren so die letzten Kindergartenjahre, nicht.
Damals haben wir auch gar nicht verstanden, dass das etwas Schlechtes ist, eine Bombardierung. Aber für uns war das etwas, wir sind wieder zusammen, wir haben unten ein bisschen reden können, ein bisschen freundschaftlich zusammen, ein bisschen kuscheln und so, das haben wir alles können da unten, nicht. Für uns war das gar nicht so verwerflich oder weiß ich was. Ja, heute denke ich nach, also, bist du blöd, was hast du denn da, das ist ja keine Freude, wenn du bombardiert wirst oder was, aber damals in der Kinderzeit war das eine Abwechslung für uns, und wir haben uns mehr oder weniger darüber gefreut. Ein paar haben auch Angst gehabt, ein paar haben es phlegmatisch genommen, ich habe halt eher zu denen gehört, die halt…, für mich war es eine Abwechslung. Hurra, tut sich wieder einmal etwas, nicht.
Ich glaube im ’44er Jahr oder so bin ich das zweite Mal auf den Spiegelgrund gekommen. Also ich war insgesamt 15 Monate am Spiegelgrund, auf zwei Tranchen. War ich insgesamt 15 Monate oder sogar länger. Mindestens 15 Monate war ich am Spiegelgrund, nicht.
Was ich mich so erinnern kann, waren das so Abteilungen, teils mit Vorhängen. Also das heißt, das waren so Räume, die waren teils mit Vorhängen abgeteilt. Das heißt, wir selber sind in den Betten…, Gitterbetten haben wir gehabt. Waren ja lauter, ja, mehr Kleinkinder kann man sagen, keine Babys mehr, sondern, ja, bis sechs, sieben, acht Jahre, Kleinkinder halt. Die einen sind noch im Gitterbett gelegen, ich zum Beispiel bin noch im Gitterbett gelegen, andere sind schon so… bei heruntergelassenen Gittern gelegen. Also, der Tagesablauf war so, dass eigentlich das Interesse an uns… ja mehr medizinisch war als menschlich. Das heißt, die haben sich nicht interessiert, wie es uns Menschen geht, sondern die haben sich interessiert, was kann ich bei dem ausprobieren, was kann ich bei dem machen, was kann ich weiter forschen und was kann ich weiter lernen. Das war eigentlich die Hauptaufgabe des Spiegelgrund, nicht. Bis zu einem gewissen Grund, und wo es nicht mehr gegangen ist, teilweise sind [sie] ja dann auch gestorben, nicht, die mit ihren Spritzen, die sie da ausgeteilt haben, kann ich mich noch gut erinnern, also da habe ich auch ein paar abbekommen, dann bist du drei Tage halb tot gewesen. Da war man so ein richtiges Versuchskaninchen. [Da] haben sie uns immer so eine Spritze gegeben, nicht, oder wenn man ein bisschen zu ruhelos war oder wenn, wie halt ein Kind ist, manche Tage ein bisschen lebhaft, oder sagen wir mehr schreit oder etwas, oder auch durch Schmerzen oder irgendwas, dann hat man eben ganz einfach mit so Beruhigungsspritzen, was sie da gespritzt haben, das war denen eigentlich eh egal, Hauptsache sie haben etwas gespritzt, und Hauptsache es war wieder für eine Weile Ruhe. Und dann ist es uns halt elend schlecht gegangen, und dann sind eben auch einige daraufhin gestorben, nicht.
Und da muss ich schon sagen, also das ist schon… Dadurch weiß ich das, und wenn man eben mit so Kindern zusammen ist, und dann auf einmal verschwindet das eine oder das andere, da macht man sich halt Gedanken. Ist ja genau dasselbe, wenn man im Spital liegt, und es geht einer zur Operation hinunter, und der kommt dann nicht mehr herauf. Da macht man sich auch Gedanken, was ist jetzt mit dem. Ein paar Tage kann er intensiv liegen, aber dann mit der Zeit muss er doch wieder heraufkommen, und dann kommt er halt nicht mehr herauf, also dann denkt man sich halt auch, also der ist da unten verstorben oder weiß ich was, oder hat es nicht überlebt oder was. Und so war es dort genauso, nicht.
Das war ja der Pavillon, der.... Man hat ja immer gesagt, die dort hineinkommen, da kommt die Hälfte nicht mehr heraus. Und das ist auch tatsächlich so gewesen. Also die Hälfte ist dort nicht mehr herausgekommen. Entweder sind sie dann schon so groß geworden, dass sie dann deportiert worden sind, oder sie sind eben dort gestorben, oder es hat einer so ein Glück gehabt wie ich, dass er dann, weiß ich, da gerade in das ’45er Jahr hineingekommen ist, wo sie dann schon nicht mehr so konnten..., dass dann schon einer die schützende Hand darauf gehabt hat.
Ob du jetzt da genug zum Essen gehabt hast oder nicht gehabt hast, oder ob du Hunger gehabt hast oder keinen Hunger hast, das war denen egal, das ist egal. Du hast deine Mahlzeiten gehabt: „Friss oder stirb.“ Das war ihr Motto, aus. Wenn du das frisst ist gut, wenn du das nicht frisst, na ja, dann wird es halt weggeräumt und aus. Oder es hat auch keiner, weiß ich, dass einer geschaut hat, dass man rein ist oder etwas. Da hat es Zeiten gegeben, da ist umgewickelt worden, und nach der Zeit, ja, wenn es passiert ist, ist es passiert und aus. Da musst du halt warten bis zur nächsten Zeit, bis wieder die Schwester kommt, und das wieder macht. Also, und da hast schreien können und weinen können, das war denen egal, und wenn du zu laut warst, hast du ein kleines Beruhigungs[mittel] bekommen und aus, der Fall war erledigt, nicht. Also das war eigentlich so die Hauptaufgabe des Spiegelgrund, nicht.
Irgendetwas, dass man sagen kann, dass sie sich bemüht hätten, durch Zuneigung, oder dass man sieht, ja, man hilft ihm, weil er ist wirklich krank, oder er hat was, das war denen egal. Das ist eine Maschinerie gewesen, und die ist durchgelaufen. Der Tagesablauf war von in der Früh bis in die Nacht, tagtäglich von A bis Z. Da ist immer dasselbe gewesen, da hat sich nichts geändert, der ist in der Früh gekommen mit seinem Anhang, hat seine Visite gemacht, hat seine Anweisungen gegeben, die sind dann im Laufe des Tages durchgeführt worden, und am nächsten Tag ist das wieder so abgelaufen. So ist das…, so hat man eben von einem Tag in den anderen hineingelebt, und hat nicht weiß ich was für Freude gehabt oder was. Weil, es war ja uns auch selber schon so egal, weil wir sind dann so phlegmatisch geworden, dass uns das eigentlich egal [war], was der macht. Also wenn der gekommen ist, die erste Zeit hat man sich gefürchtet, hat man Angst…, Jesus, der kommt schon wieder, und was ist jetzt wieder, aber mit der Zeit wird man dann so phlegmatisch, dass man sagt, na ja, ändern kann man es nicht, musst es halt herankommen lassen.
Luft haben wir gehabt durch das geöffnete Fenster, natürlich vergittert, ist eh klar. Ohne Gitter hat es dort überhaupt nichts gegeben, nicht. Alles vergittert, alles zugesperrt, alle Schlüsseln, also... Es ist, so wie heute ein Gefängnis oder etwas, so ist es, nicht. Irgendein, dass man sagt, ein Zeitvertreib, oder dass man ein Kind gefördert hat, oder dass man sagt, na gut, jetzt setze ich mich hin und lese dem einmal etwas vor oder erzähle ihm ein Märchen oder weiß ich was, das hat es alles nicht gegeben, also, das hat es nicht gegeben. Die waren nur da, wenn du aufmüpfig warst, wenn du geschrien hast, dann sind sie gekommen, gelaufen, und haben geschaut, dass du so schnell als möglich wieder beruhigt bist, und dass du wieder in deinem Bett liegst und aus. Das war ihnen…, weil dann haben die eine Ruhe gehabt, haben sie nichts zu tun gehabt, und das war für sie das Beste, nicht wahr.
Und auch wie sie einen behandelt haben, wenn ich so zurückdenke. Wie die mit den Körpern umgegangen sind, also nicht pietätisch, wenn einer gestorben ist oder etwas. Die haben den einfach hinausgezerrt und aus, das war…, der ist tot, und aus, Schluss. Heute tut man doch ein bisschen die Hände ihm zusammenlegen und noch ein bisschen zudecken, und dann wird eine Kerze angezündet oder weiß ich was, wie es jetzt bei meinem Verwandten war, wie wir es gemacht haben, und der war im Spital und gestorben ist er oder was. Die sind auch geschoben worden in ein Nebenzimmer, haben die Verwandten noch Abschied nehmen können. Dort nicht, der ist gestorben und hinausgezerrt, weg.
Also das, immer wieder und immer wieder, das was ich immer wieder sage: Man hat uns die Würde gebrochen. Also man hat zu keiner Würde kommen können. Also wie die gemerkt haben, dass du ein bisschen etwas darstellen willst oder irgendwas, dass du sagst, ich habe ja etwas, ich kann ja etwas vorzeigen, ich kann ja etwas, das ist sofort unterdrückt worden. Das ist sofort unterdrückt worden. Das war am Spiegelgrund, das war in allen Heimen alle durch, ganz egal, ob es katholisch ist, da. Also von den katholischen will ich sowieso nicht viel sagen, weil da.... Ob es katholische waren, oder die Schwererziehbaren, wie sie alle geheißen haben, wie die gemerkt haben, dass du ein bisschen aufkeimst, mit einer Würde oder etwas, haben die dir sofort das Genick wieder gebrochen und haben dich sofort wieder hinuntergedrückt auf den Boden. Du gehörst da hinunter auf den Boden, und du hast da oben nichts zu suchen. Das haben sie dich so spüren lassen und so Ding, da hat es nichts gegeben. Also wie du geglaubt hast, du kannst ein bisschen ein Ding, haben sie dir da sofort den Daumen wieder hinuntergedrückt, also unwahrscheinlich. Und so war das durch die Bank.
Gut, das war jetzt so ziemlich die Geschichte über den Spiegelgrund, über die Zeit so sagen wir bis ’45, so, wo ich dann nach Hütteldorf gekommen bin, wo ich dann dorthin gekommen bin. Da kann ich mich noch ziemlich gut erinnern. Und zwar waren das zwei Gebäude. Auf der einen Seite war die Direktion und die Klassenzimmer, und auf der anderen Seite waren die Schlafräume, waren die Schlafräume. Unten die Küche, hinaus ist man zum Hof. Und da kann ich mich noch gut erinnern, wie ich da das erste Mal durch so ein… Ding drangekommen bin. Da haben wir so eine Veranda gehabt. Und das waren drei… Das waren drei Erzieher. Also das Ganze hat ja eigentlich geheißen schwer erziehbares Kinderheim. Steht sowieso eh da drinnen, also, das war schon mal das, dass schwer erziehbares Kinderheim…, mit sechs Jahren, fünf Jahren, wo kann ich wissen, ob ich so schwer erziehbar bin? Und wenn, dann war ich es, weil ich geprägt worden bin, durch die Kindheit, wird man halt geprägt, nicht. Und da kann ich mich noch gut erinnern, das erste Mal hat er mich herausgezerrt, und da habe ich müssen das erste Mal, Entschuldigung dass ich das sage, aber, da habe ich müssen das erste Mal [ihm] einen blasen. Also mich hat das so geekelt und so gegraust, und das ist mir im Bild drinnen, als ob der noch vor mir stehen würde. Also ich meine, wenn der heute vor mir stünde, den würde ich noch haargenau kennen, also den bringe ich nicht heraus. Der wird zwar nicht mehr leben, weil der müsste jetzt auch schon 100 Jahre alt sein, aber wenn der da aufstehen würde, den würde ich sofort erkennen, also, der könnte das nicht verleugnen, nicht. Aber wie gesagt, und um das hier weiter zu verfolgen, das ist nicht nur mir so gegangen, sondern die haben sich die ausgesucht, einmal ist der Gigl drangekommen, einmal der Gogl, also, wenn die drei Dienst gehabt haben, da haben wir schon gewusst: Jesus, heute passiert irgendwem wieder etwas. Da haben wir sogar, ich war auch dabei, periodisch sogar dann ins Bett gemacht vor lauter Angst, nicht wahr. Und das ist dann aber so gewesen, dass immer nur die, [wenn] die Dienst gehabt haben, also da haben wir genau gewusst… Und dann ist das dann noch schlechter geworden, weil wenn wir dann ins Bett gemacht haben, hat uns der herausgeworfen, und hat uns der das nasse Tuch über den Kopf geworfen und hat uns hinausgestellt auf den Gang, den kalten. Also, früher war alles nur Steinboden. Das war ja nicht so wie ein Teppich oder weiß ich was, wie es heute ist, da war Steinboden. Da bist du draußen gestanden, mit dem nassen Fetzen über dem Schädel. Also, da hast du nichts machen können. Und das ist das, was dir die Würde wegnimmt…
Wie man heute öfters sagt, also ab dem ’45er Jahr war alles aus, alles schön, war alles herrlich und Ding. Wenn mir das einer sagt, dann sage ich: „Hörst du, dann hättest du müssen das erleben, was ich erlebt habe, oder Hunderte andere auch, Hunderte andere, die das erlebt haben, oder Tausende sogar haben das erlebt, nicht.“ Also das war nicht so, dass du sagst, den Hebel umgelegt, und es war alles O.K. Das hat noch Jahre gedauert, dass das so weitergegangen ist. Also die waren in dem Trott drinnen, und der Drill ist drinnen gewesen und aus. Nicht, also, das ist eine blöde Rederei, wie manche sagen, ja, das war sowieso, im ’45 Jahr ist es ja gut gegangen, da war es ja aus, dann haben wir die Besatzung gehabt, dann haben wir Essen gehabt alles. Ja, wir, einen Dreck haben wir gehabt, die gesalzene Butter in den Dosen haben wir gehabt und weiß ich was, die haben sie uns stückerlweise einmal gegeben. Ich hab das schon nicht mehr anschauen können, weil die so versalzen war, die Butter. Oder weiß ich, die Erbsen in der Dose, wo die Würmer herumgekrochen sind. Das haben sie unten in der Küche verkocht. Die Würmer haben sie abgeschöpft oben mit einem Sieb. Das haben uns die Amerikaner geschickt. Das was die weggeschmissen haben, das haben sie uns geschickt, in den CARE-Paketen, wie es so schön geheißen hat. Die haben schon gute CARE-Pakete auch geschickt, die haben aber nicht die Heime bekommen, die haben nicht die Heime bekommen. Das haben die Villen bekommen überall, die haben das bekommen, aber unsereiner hat das nicht bekommen, weil manchmal hast du so geschaut in der Küche, was da für ein Dreck verkocht wird. Wir waren aber froh, dass wir das gehabt haben wenigstens, wir waren froh, dass wir das gehabt haben.
Noch eine Episode, zum Beispiel mit dem Essen. Wir haben… das Essen war früher eine Mangelware. Warum weiß ich nicht, es war eben nichts da. Man hat eben gesagt, da ist nichts, und wir haben statt der Milch immer gehabt eine Trockenmilch, und die ist immer geliefert worden. Und wir haben gewusst, wo die Trockenmilch war. Wir haben natürlich schon so einen Hunger gehabt, zwei, drei Buben, sind wir gegangen, und dann eben mit den Händen haben wir Trockenmilch und haben so gegessen. Und in unserem Alter und mit unserer Intelligenz sind wir natürlich gerannt und haben genau eine Spur gemacht, mit der Trockenmilch. Dann haben sie uns natürlich gleich erwischt, das ist sowieso klar. Ja was dann gekommen ist, das haben wir uns ja vorstellen können. Also wir haben die Tracht Prügel bekommen, dass es nicht ärger gegangen ist. Und dann haben sie uns erst recht drei Tag nichts zum Fressen gegeben.
Ja, und wie gesagt, und so sind die Zustände gewesen. Also, wenn man dann zum Schluss herausgeht aus dem Lehrlingsheim, also mit einem Paar Schuhe, einem Mantel, einem Hemd, einer Weste und dann, geht man, dann hat man... Ohne allem, nicht wahr, alles frisch anfangen. Und ich habe mich wirklich bei der Gemeinde, habe ich mich dann die Jahre, mit Kursen und Abendschulen und so, da habe ich es dann ziemlich weit gebracht. Also ich habe dann [eine] Stelle gehabt bei der Gemeinde. Ich habe dann einen 5er-Posten gehabt. Ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas sagt, aber, das ist eh egal. Aber auf jeden Fall war das schon ein ganz ein schöner Posten. Also das war das Höchste, was ein Nicht-Akademiker erreichen kann. Das war der 5er-Posten. Weil der nächste ist dann schon der 6er, aber da musst du schon einen Amtsrat und akademischen Posten dann haben. Also bis dorthin, alles was ohne Akademiker gegangen ist, habe ich noch gepackt, durch Abendschulen und Kurse und so, habe ich damals gepackt, nicht. Und habe 40 Jahre diese Arbeit gehabt. War zufrieden, aber dass ich etwas gesagt hätte, dass ich bei irgendwem etwas Ding…, das, bis heute nicht.
Das hat erst in unserer Generation eigentlich angefangen, dass da die Familie erst eigentlich, dass man den Sinn einer Familie eigentlich erst begreift. Was ist eigentlich eine Familie überhaupt. Dass wir das überhaupt erst begriffen haben. Also das hat da bei mir Jahre und auch bei meiner Schwester Jahre gedauert, bis wir überhaupt gewusst haben, was heißt Familie, was bringt Familie, was, also.
Wir haben ja nie gewusst, was eine Familie ist, also wir haben das erst richtig lernen müssen alles, also richtig erst aufbauen. Wie gesagt, aber mir tun die Eltern leid, weil sie haben uns nicht mehr geben können. Also, sie selber sind in die Mühle geraten und sind selber da mit hineingezogen worden. Teilweise Recht, teilweise Unrecht, das will ich gar nicht beurteilen und kann ich auch gar nicht beurteilen und das ist eben so, aber sie sind selber arm gewesen und haben rundherum nichts gehabt. Nur von der Hand in den Mund hinein leben und so. Also, nicht was weiß ich für ein Ding. Also, uns ist sicher nichts geschenkt worden. Also, wie ich geheiratet habe, ich bin mit einem Taschentuch…, das war alles was ich gehabt habe, mehr habe ich nicht gehabt. Also, ich habe nicht sagen können zu meinen Eltern: „Hörst du, gib mir eine Aussteuer,” oder weiß ich was. Das hat es natürlich, das hat es halt alles nicht gegeben. Also, nicht. Aber so wären sie liebe Eltern gewesen, kann ich nichts sagen, also, sie haben ihr Möglichstes in ihrem Bereich, was sie machen konnten, haben sie versucht zu machen, dass es ihnen halt nicht gelungen ist, das steht halt wieder auf einem anderen Papier, dass das nicht gelungen ist. Aber man darf ihnen bestimmt keine Schuld geben, und das werde ich auch nie machen, weil es nie irgendwie Ding… Sie haben das Beste machen wollen, dass ihnen das nicht gelungen ist, ist halt schade. Für uns alle, nicht wahr.
Und ich habe auch in meinem Berufsleben, ich habe nie ein einziges Wort über meine Kindheit verloren, also das... Ich habe mich so geniert, und ich geniere mich auch heute noch darüber, weil, das kann man nicht sagen, so, wobei ich ja gar nichts dafür kann, das ist eben etwas..., es ist eben so, und es tut einem so weh, und ich liege oft, und meine Frau sagt oft: „Tu nicht wieder studieren, tu nicht studieren.“ Da rinnen mir oft die Tränen herunter. Es ist unwahrscheinlich, wenn man sich das so vorstellt. Ich war – voriges Jahr habe ich einen Herzinfarkt gehabt, bin auf der Intensivstation gelegen, da ist der ganze Film wieder abgelaufen, mir hat das so weh getan, so weh getan, also das war eine Katastrophe, nicht.