Interview Rudolf Karger
Also, das kann ich auch sagen, ich habe, ah, das, wie das, wie das alles gefunden worden ist, meine Sachen da, und ich habe das durchgelesen, das war für mich eine Katastrophe. Ich habe ein Jahr nichts sprechen können. Ich habe mich zurückgezogen gehabt, ich habe Rotz und Wasser geheult, weil ich das, weil ich das nicht verstanden habe, dass man so gemein sein kann, uns dort hinschicken, das haben sie schon gewusst gehabt, dass am Spiegelgrund..., was da los ist, die Vormundschaft. Und die Falschheit, was die über mich geschrieben haben, mit meiner Familie, was gar nicht stimmt. Das hat mich furchtbar…, da war ich k.o. Ein Jahr war ich da k.o. Und vom Spiegelgrund kann man ja gar nicht reden, weil das war ja eh… Ich bin da mit elf Jahren hinaufgekommen, elf Jahre war ich damals. Also zuerst war ich in der Lustkandlgasse da, die 14 Tage, drei Wochen, zur Untersuchung, da bin ich hinaufgekommen auf den Spiegelgrund, also das war…, also ich kann mich an keinen Tag erinnern, wo keine Strafe war, ich habe keinen Tag erlebt ohne Strafe. Und es waren bestialische, sadistische Strafen waren das. Die haben uns stundenlang stehen lassen, und das, also was noch furchtbar war, wenn die eine Schwester, wenn die Dienst gehabt hat, haben wir genau gewusst gehabt, jetzt sind wir vom Abend bis in die Früh gestanden vor den Betten, nur mit dem Nachthemd bekleidet. Im Sommer haben wir die Fenster zu gehabt, und im Winter haben wir die Fenster offen gehabt, das müssen Sie sich jetzt vorstellen. Das war gang und gäbe.
Ja, ich bin 1930 geboren, in Wien, mit noch zwei Schwestern, und das Tragische war, wir waren außerehelich, das war damals zu dieser Zeit eine große Schande, das war furchtbar. Die Großmutter hat natürlich die Erziehungsberechtigung über uns gehabt, aber der Vormund war das Jugendamt. Und das muss man…, ich bin in der Thaliastraße aufgewachsen, wir waren in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung im Gemeindebau, wir waren oft zwölf Personen in der Wohnung, acht Erwachsene und wir vier Kinder, also auch von meiner Tante, der Sohn war auch noch da. Das können Sie sich vorstellen, im ’30er Jahr, wenn acht Personen drinnen in einer Wohnung sind, Erwachsene, und zwei haben nur Arbeit, was da für eine Stimmung war und für Reibereien. Aber das hat alles keine Rolle gespielt, insofern war das…, das ist halbwegs gegangen, aber 1938, als am 12. März der Einmarsch war, dann war es natürlich hundsschlecht, nicht. Erstens einmal hat der eine Onkel ein paar Tage vorher, vor dem Einmarsch schon, gesagt: „Wer braucht denn den Hitler in Österreich?“ Das ist publik geworden, und am 12. März ’38 in der Nacht ist er schon verhaftet worden und ist nach Dachau gekommen. Das war einmal das Eine.
Dann das Zweite war, dass wir außerehelich sind. Kein Pinsch [Mensch] war bei uns bei der Partei, also waren..., es war kein [wegen Nazi-Aktivitäten] Vorbestrafter dabei, wir waren..., keiner von uns war bei der Partei, also für das Jugendamt waren wir..., also für das ganze Regime waren wir nicht geeignet. Ich hätte damals zum Jungvolk gehen sollen, das war ja auch damals Pflicht. Von 10 bis 15 Jahren war DJ [Deutsches Jungvolk], das habe ich natürlich nicht gemacht, auch schön vermerkt gewesen. Dann auf der Thaliastraße sind die Umzüge vorbeimarschiert, da hätte ich die Fahne grüßen müssen, das habe ich natürlich nicht gemacht, der Häuptling ist herausgekommen, hat mir zwei Ohrfeigen gegeben, kräftige, weil ich die Fahne nicht gegrüßt habe, und das ist alles vermerkt worden.
Meine Familie war furchtbar für mich, weil erstens einmal, acht Personen, und der eine Onkel, das war ja von mir..., der hat mich ja immer geprügelt, das war ja auch ausschlaggebend, dass ich auf den Spiegelgrund gekommen bin. Der war bei der französischen Legion, im 29er Jahr, wie die [?] war, ist er zurückgekommen, nach fünf Jahren, hat wieder gewohnt bei der Großmutter, seiner Mutter, also bei uns in der Wohnung, in der Gemeindebauwohnung. Ich weiß nicht, was er gehabt hat mit mir, ob ich meinem Vater ähnlich sah, oder, weil sie uns mitziehen haben müssen, weil die haben ja nichts gehabt, aber uns Kinder haben sie ja eigentlich mitziehen müssen, erhalten, wenigstens bin ich von dem immer geprügelt worden. Eine Aufgabe machen, das war tödlich bei dem, da habe ich einmal eine Aufgabe gemacht, da habe ich „11“ schreiben müssen, habe ich die zwei Einser zu weit auseinander gemacht, denke ich mir, na ja, warte, die hinten streiche ich durch und mach vorn wieder den Einser näher dran. Soweit bin ich gar nicht gekommen, weil der hatte mir schon das Heft auf der Tischplatte festgenagelt, und ich bin schon wieder unter dem Tisch gelegen auf der Dings, nicht? Und, na ja, die Oma, meine Großmutter, also seine Mutter, die kann ja nicht immer ihren Sohn da... Und dann bin ich ja eh, wenn ich gewusst habe, dass er da ist, wenn er gekommen ist zum Schlafen – er hat nicht immer zuhause geschlafen –, bin ich auf den Dachboden hinaufgegangen, habe ich oben auf dem Boden geschlafen, weil ich mich gefürchtet habe. Ich wusste genau, wenn die Erwachsenen alle in der Früh [von da]heim fortgehen, dass ich geprügelt werde, das hat er auch gemacht. Der hat mich einmal geschlagen, da hat er eine Hand in Gips gehabt, der hat mich so durch die Wohnung geprügelt, dass überhaupt kein Gips mehr drauf war auf der Hand. Da bin ich im Dings auch [gewesen]. Und meine Großmutter, die hatte es gut gemeint, hatte das alles gemeldet beim Jugendamt. Die hat gesagt, ich bin nicht heimgekommen, die hatten mich gesucht, die haben geglaubt, ich bin..., dabei bin ich am Dachboden gesessen, hab mich gefürchtet. Wenn der [Onkel] fort gegangen ist in der Früh, bin ich wieder hinuntergegangen, aber meine Großmutter ist gleich gelaufen und hat gleich gesagt, ich bin schon wieder verschwunden, eine Katastrophe war das.
Die Lustkandlgasse weiß ich nur, dass ich da hineingekommen bin, dass ich nackt ausgezogen worden bin, da herumgereicht worden bin, und dann bin ich eben, 14 Tage oder was, 10 Tage [später], auf den Spiegelgrund gekommen. An den Spiegelgrund kann ich mich ja gut erinnern, das war ein wunderschöner Tag, ein Herbsttag, das weiß ich ganz genau, hat mich die eine da in die Gruppe hineingelassen, ich weiß nur noch 7er oder 9er Pavillon, das weiß ich nicht mehr, und da war niemand da, und ich habe mich umgeschaut, war ein schöner Gang, alles sauber, picobello, ein schöner Tagraum war da, und ein Schlafzimmer, ungefähr 20 bis 25 Betten waren da, ein kleines Zimmer – ein Dienstzimmer –, ein Badezimmer, na ja und dann bin ich..., da war so eine kleine Abzweigung, da waren Dings..., da waren so kleine Zellen dort, nicht, so wie die, wie in dem Ausmaß von einer Zelle, mit Riegel da dran, und Guckloch, und nachher habe ich mir gedacht, sind da die Narren, werden da die Narren da eingesperrt, was weiß ich, ich weiß ja nicht. Ja und da, aber... und mir ist das nur aufgefallen, aber zuerst habe ich mir gedacht gehabt, so schaut es ja ganz schön aus, nicht, aber alles vergittert? Und alles zugesperrt? Und dann nach ungefähr einer Stunde sind die gekommen, zurückgekommen, die waren irgendwo, dann sind 20 oder 25 Burschen, Buben in meinem Alter hereingekommen, und die Schwestern haben mich dann da begrüßt und alles, und weiß ich, und ich denke mir, kann es eh nicht schlecht sein, gut, was weiß ich, bei meinem Onkel habe ich meine Hiebe gekriegt, habe ich gesagt, da werde ich ja doch meine Ruh haben, und dabei war es umgekehrt. Das ist schon..., am nächsten Tag wusste ich schon, dass das nicht das Wahre ist, immer Strafen, immer Strafen. Strafstehen, Ohrfeigen, Vor-den-Betten-Stehen, also. Und das war ja auch das Heimtückische, die haben uns nicht..., die haben geschaut, dass wir nie Freundschaften schließen, weil wenn einer wo..., wenn eine Strafe war, haben sie gesagt: „Na, jetzt könnt ihr euch bei dem bedanken!“ Das war ja automatisch immer eine Reiberei zwischen uns, da hat es ja keine Freundschaft gegeben zwischen uns, das war nicht erwünscht, nicht, von den Pflegerinnen oder Sadisten, was soll ich..., ich weiß nicht, wie ich sagen soll. Es war auch ein Glück, ich habe ja leider, ich habe ja niemanden getroffen, nach Kriegsende, weil ich glaube, wenn ich jemanden getroffen hätte von denen..., die haben sich alle gut versteckt gehabt. Ich glaube, ich wäre schon eine angesprungen von denen, war erbärmlich von denen, was die mit uns aufgeführt haben.
Na, und ein Jahr am Spiegelgrund erlebt, genug, also wie gesagt, Strafen, immer nur Strafen, Strafen, Strafen. Einen Fluchtversuch habe ich auch gehabt, auch der Zawrel, hat Ihnen der Zawrel erzählt, die Maßnahmen vom Fluchtversuch? Nein. Ich erzähle es Ihnen. Also ich bin..., wir sind mit der Straßenbahn vorbeigefahren, ich war ja bei einer Untersuchung, mit zwei Pflegerinnen, was anderes kann ich nicht sagen, und bin dann bei der Thaliastraße, weil die [Straßenbahn] stehen geblieben ist, bin ich aus Heimweh ausgestiegen. Bin hinaufgegangen zu meiner Großmutter, zum Glück war die zuhause, aber nach zwei Stunden sind die schon gekommen, die zwei Schwestern, und haben mich abgeholt und wieder auf den Spiegelgrund gebracht, und haben meiner Großmutter heilig versprochen, mir passiert nichts. Ich habe aber schon gewusst, was passiert. Ich bin noch nicht einmal auf dem Spiegelgrund gewesen, habe ich schon meine Ohrfeigen bekommen, dass ich geglaubt habe, ich bin taub. Am Gang haben die anderen Buben stehen müssen, schon strafweise stehen, auf den Sessel haben sie mich niedergedrückt, haben mir eine Glatze geschnitten, aber nicht geschnitten, mehr gerissen als geschnitten, dann haben sie mich ausgezogen, ich habe ins Badezimmer gehen müssen, das war üblich, da war die Badewanne schon angefüllt mit kaltem Wasser und schlempern, und tauchen und tauchen und tauchen. Ich habe schon keine Luft mehr bekommen, habe ich den Stöpsel herausgerissen, dann haben sie mich auf die..., voller Wut haben sie mich herausgezerrt aus der Badewanne, und dann bin ich eine Viertelstunde lang unter der kalten Brause gestanden. Ich war..., ich habe nicht aus der Brause hinausgehen dürfen, weil die hätten mich erschlagen, weil das Recht haben sie ja gehabt. Und dann, wie das so üblich war bei uns, wenn einer eine Strafe verursacht hat, irgendetwas gemacht, haben die anderen auch mitleiden müssen, Strafe stehen, dann haben sie mich durch die..., haben sie mich aus dem Badezimmer hinausgeworfen, nackt, habe ich die Salzergasse gehen müssen. Sagt Ihnen das was, Salzergasse? Da stehen links und rechts die Burschen, die können..., da müssen Sie durch, und die können auf Sie einschlagen, das war die Salzergasse. Ja, und dann anschließend haben sie mich auf den Pavillon 15/17 geführt, die Kinderfachabteilung, wo der Gross war, nur habe ich damals noch nicht gewusst gehabt, wie-was-wann, nicht. Ich war in so einer kleinen Zelle, da haben sie so kleine Zellen auch gehabt, da war ich auch 14 Tage, drei Wochen drinnen, nur mit einem Hemd bekleidet, habe fast nichts zum Essen bekommen, Injektionen hatte ich bekommen, na ja, übergeben habe ich mich, die Speib-Injektionen, die waren ohnehin auch bekannt, die haben wir da öfter bekommen, und nach was weiß ich, 14 Tagen, drei Wochen bin ich in die Strafgruppe gekommen, da haben wir extra noch..., am Pavillon 11 war eine Strafgruppe, da bin ich hingekommen, und da bin ich mit Zawrel zusammengekommen, der war dort, der ist ja dauernd davongelaufen, nicht, den haben sie immer wieder geholt und immer wieder. Da haben wir damals noch den militärischen Drill gehabt, was erbärmlich war, die haben uns fast den ganzen Tag oder stundenlang haben sie uns die Betten aufreißen lassen und wieder zumachen, Betten aufreißen und zumachen. Das hat eine Linie sein müssen, 20 Betten, Leintücher waren genau eingeschlagen, das hat eine Linie sein müssen, das hat ja nie geklappt, das war..., unser ganzer Tag war damit beschäftigt, da die Betten aufreißen, da zureißen, na ja, dann halt, Militär-Strafstehen halt und so weiter, das war halt unser... Das haben wir..., das habe ich ein Jahr erlebt.
Strafgruppe, ja, Pavillon. Pavillon 11 war eine Strafgruppe. Dort sind die hingekommen, die geflüchtet sind, oder die in der Gruppe aufgemuckst haben, da sind auch viele gewesen, Jugendliche, die eigentlich, na ja, wir waren nicht dumm, aber verstört und gestört waren wir alle. Schon durch die Umstände. Und es hat schon auch welche gegeben, die, in meinem Alter, die richtig hysterisch geworden sind, also, jähzornig und alles, die nicht zu bändigen waren, ja, die sind auch dort gewesen, auf die Strafgruppe gekommen, nicht.
Nur Feindschaft, na ja, weil, wie ich gesagt habe, wenn etwas war: „Ihr könnt euch bei dem bedanken.“ Automatisch ist da eine Wut, ist eh..., war eh egal, weil es war ja nur ein Vorwand von denen, das „ihr könnt euch bei dem bedanken“. Aber so ist keine Freundschaft entstanden, das war gar nicht drinnen. Im Gegenteil, es war mehr Hass als Freundschaft. Erstens war der Brotneid da, wenn da einer ein Stück Brot mehr bekommen hat, oder mehr..., dann hat..., haben die anderen schon..., neidig, irgendwas, nicht. Das haben sie auch gern gemacht, beim Essen Austeilen, die sich ein bisschen angebiedert haben, haben nachher einen Schöpfer mehr bekommen, und das, und die anderen... Das hat es nicht gegeben, Freundschaft hat es nicht gegeben. Ja, vielleicht haben sich zwei zusammengetan, aber ich habe das nicht erlebt, weil mir das... Ich habe überhaupt nie eine Freundschaft gesucht, ich habe gesagt, da kommt nichts Gutes heraus.
Der Tagesablauf, also..., der Tagesablauf, wenn wir aufgestanden sind, haben wir Frühstück bekommen, das Frühstück war ja meistens nur eine Suppe, aber eine Einbrennsuppe, haben wir auch bekommen und einen..., keinen Kaffee, aber das war ein Kramperlkaffee [von Krampus?], die Bucheckern oder was weiß ich. Na ja, und dann hat es schon angefangen, nicht. Wir mussten aufstehen, zuerst mussten wir uns natürlich waschen, und unsere Kleidung mussten wir auf dem Sessel zusammenlegen, auf dem Stuhl, gut zusammenlegen, alles genau, in einer Linie. Na, und dann sind wir immer im Dings, waren wir im Tagesraum. Wie ein bisschen laut gesprochen worden ist, sind wir schon wieder, Strafstehen, sind wir schon wieder Strafe gestanden. Und die anderen..., die eine Schwester, wenn die da war, die Pflegerin, die hat immer die Ohrfeigen ausgeteilt. Da haben wir uns in einer Reihe aufstellen müssen, die hat uns die Ohrfeigen gegeben, links und rechts, hauptsächlich Strafe stehen und das andere... Am Pavillon 13 war eine Schule, aber ich bin nie in die Schule gekommen, ich weiß nicht wieso, wieso ich..., na gut, ich war..., wir waren ja unerwünscht, lebensunwürdig. Aber die haben dort eine Schule gehabt, ich weiß nicht, wer dort in die Schule gegangen ist. Das habe ich auch erst später erfahren, dass dort eine Schule war, am Pavillon 13, dass da eine Schule war, und ich bin in keine Schule gekommen, die ganze Zeit. Es waren immer nur Strafen oder Gewaltmarsch, waren wir auch. Wenn zum Beispiel, einer war geflüchtet, den haben wir vom Praterstern zurückholen müssen, der war am Revier Praterstern, und das sind ja doch, glaube ich, mindestens zehn Kilometer, und den haben wir abholen müssen und wieder zurückgehen. Das waren Gewaltmärsche, ja, und wenn wir im Hof gegangen sind, mussten wir auch zwei Stunden gehen, und wenn wer vorbeikam, dann mussten wir automatisch „Heil Hitler“ schreien. Und wenn das nicht in einem geklappt hat, dass da einer schon vorher geschrien hatte oder später geschrien hatte, sind wir auch schon wieder..., kaum sind wir in der Gruppe gewesen, hatten wir schon wieder eine Ohrfeige bekommen. Wer das verursacht hat, bekam eine Ohrfeige, und wir sind Strafe gestanden, es hat nichts anderes gegeben. Und dann am Dienstag, das werde ich auch nie vergessen, einmal in der Woche hat es den Grieskoch gegeben, den furchtbaren, mit Magermilch, und da waren Stückchen drinnen, und das vergesse ich nicht, der Plefka Herbert hat das nie hinuntergebracht, den haben die zwei gehalten, Nase hinauf, wir mussten inzwischen Strafe stehen, und [sie haben ihn] gefüttert, und wenn er das ausgekotzt hat, ist das wieder hineingekommen in den Mund, bis nichts mehr auf dem Teller war. Das hat sich jede Woche abgespielt, bei dem Grieskoch, nicht. Und wir sind inzwischen wieder Strafe gestanden, bis das erledigt war, die Szene, ja es, es war kein, kein...
Und was auch interessant war, ich habe ja einmal im Monat Besuch haben dürfen, aber allgemein, nicht für mich allein, sondern allgemein war das halt, war das angesagt, der Besuch, da haben sie Bänke aufgestellt am Gang, da sind die Angehörigen gesessen mit uns, und dann sind sie durchgegangen und haben da recht nett gesprochen, wie gut sie zu uns sind, was sie mit uns machen, und kaum war der Besuch aus, haben wir schon wieder unsere Ohrfeigen bekommen, wenn wir ein bisschen..., die haben uns ein bisschen etwas mitgebracht die Eltern, meistens, das ist gleich eingezogen worden, das haben wir nie mehr wieder gesehen, ob das Schokolade war oder ein Gugelhupf, das war schon weg, das war auch so eine tolle Aktion.
Ich habe meiner Großmutter nie gesagt, was sie mit uns machen, weil die wäre bestimmt hergegangen, wenn ich erzählt hätte, dass die uns schlagen, und alles, was die mit uns aufführen, die wäre in die Direktion gegangen, und die wäre bestimmt nachher..., die hätte sich aufgeregt, und die wäre in ein Lager gekommen. Also das hab ich nicht gesagt, nicht. Ich habe nur gesagt, ja uns geht es eh gut und so. Also das habe ich damals schon unterbewusst..., hatte ich schon mitbekommen... Ja, und dann haben sie uns auch immer angedroht: „Ihr werdet schon sehen, was mit euch ist, ihr werdet schon sehen!“ Dann hatten wir ja auch die Wagen gesehen, das waren zwei so Waggons, die die Toten geführt haben. Wir haben ja nicht gewusst gehabt, wer da drinnen ist, das waren die Kinder halt, die sie da umgebracht haben am 15/17er Pavillon, nicht. Das haben wir auch gesehen gehabt, nicht.
Na ja, zu Mittag sind wir auf, da haben wir einen schönen Christbaum gehabt, bis zum Plafond, da war aber nichts drauf, und nach dem Essen sind wir gestanden, und von 12, wie Essen war, halb 12, das weiß ich nicht mehr, bis 7 Uhr abends, 7 Uhr abends sind wir gestanden vor dem Christbaum und haben uns nicht bewegen dürfen. Und dann haben wir schlafen gehen dürfen. Das war unser, unser Heiliger Abend, bekommen haben wir natürlich nichts, da hat es keine Geschenke gegeben oder irgendetwas, das war unser Heiliger Abend. Und da haben wir noch Glück gehabt, dass wir, da hat sich ja wirklich, wie wir dort gestanden sind, die Stunden lang, hat sich keiner gerührt, weil das haben wir gewusst, wenn sich wer rührt, kriegen wir auch noch Ohrfeigen, weil das war ja auch alltäglich. Aufstellen in einer Reihe und los geht es, links-rechts, links-rechts, und die haben nicht gestreichelt, die haben eine Ausdauer gehabt, die Biester, mein Lieber.
Einmal habe ich mich angemacht, da hatten wir einen Gewaltmarsch gemacht, das vergesse ich heute noch nicht, das war in der Breitenseer Straße, und ich musste aufs Klo gehen, groß, und die haben mich nicht gehen lassen. Ich habe nicht austreten dürfen, habe ich in die Hosen gemacht. Kaum waren wir in der Gruppe, haben die mich ins Bad gezerrt, musste ich meine ganze Wäsche waschen, selber, durchwaschen, und mit den Händen, bis das... Und da habe ich nichts anderes bekommen, und bis das trocken war, nach ein, zwei Tagen, habe ich es wieder anziehen können, sonst bin ich nur mit dem Hemd herumgerannt. Die hätten mich aufs Klo gehen lassen können, das war es. Na ja, meine Ohrfeigen habe ich auch bekommen, das ist eh klar, da brauchen wir gar nicht reden, das war automatisch.
Also ich bin auf den Spiegelgrund gekommen vom 1. 9. 1941 bis 3. 9. 1942, am 3. 9. 1942 nach Mödling, da ist eingetragen, vom 4. 9. 1942 bis 7. 7. 1943 war ich in Mödling, also acht Monate sind das. Und das war schlagartig, das hat mir bis jetzt auch noch keiner sagen können, wie was, aber ich nehme an, dass sie die Pavillons gebraucht haben, weil erstens waren schon viele Verwundete damals, von der Zeit, dann sind ja viele Deutsche gekommen, angehaltene Mädchen und Frauen, was weiß ich was, da haben die den Pavillon gebraucht. Sind wir gekommen..., 70 oder 90 Burschen waren wir da, von den Pavillons 7, 9 und 11 waren die Burschen alle, sind wir dort hingekommen nach Mödling. Das ehemalige Hyrtl-Waisenhaus, das war bis 1938 ein Waisenhaus, ein richtiges Waisenhaus, und dann, wie der Hitler gekommen ist, haben die Nazis das übernommen und haben eine Erziehungsanstalt daraus gemacht.
Na ja, nur militärischer Drill, nur militärisch. Wir haben Übungen machen müssen, robben, Handgranaten werfen, Attrappen werfen und dann politischer Unterricht. Alles vom Hitler wissen, von der Partei wissen, und wenn wir das nicht gewusst haben, am nächsten Tag sind wir gefragt worden, was wir da wieder alles gehört haben, und wir sind schon wieder gerobbt. Aber nicht mit den Händen, sondern nur mit dem Körper robben, und wenn wir erhitzt waren, ist das kalte Wasser über uns drüber geschüttet worden. So hat es sich abgespielt.
Na ja, wenn Fliegeralarm war, haben wir uns anziehen müssen, wir haben geschlafen, war in der Nacht meistens, haben wir uns anziehen müssen und haben auf den Dachboden hinaufgehen müssen und, wenn eine Bombe einschlägt, dass wir das löschen. Da waren Kübel mit Sand da, Pracker [Klopfer], und dann alles so... Ist eh keine Bombe auf uns gefallen. Und die Brandbomben hätten wir löschen müssen, oder was. Und dann, die haben uns nicht in den Keller geschickt, dass wir geschützt sind, die haben uns auf den Boden hinaufgejagt, wenn eine Bombe fällt, dass wir gleich weg sind, wahrscheinlich. Na, das war das Hyrtl’sche Waisenhaus.
Und dann habe ich..., Meine Großmutter hat ja dauernd keine Ruhe gegeben, die hat meinen Onkel herausgebracht aus dem KZ, die hat meine Schwester herausgebracht, die war auch am Spiegelgrund mit mir, ein halbes Jahr, und dann ist sie nach Theresienfeld gekommen, das war so ein strenges Kloster, die haben sie noch gezüchtigt, und mich hat sie auch herausgebracht, weil die ist ja dauernd..., die hat dem Hitler geschrieben, die hat den Schwestern geschrieben, die hat..., weiß ich, die war überall, hat die gemacht... Nach einem halben Jahr, als ich auf dem Spiegel..., in Mödling war, habe ich auch nachhause gehen können, nur habe ich bei meiner Großmutter auch nicht bleiben können. Meine zwei Schwestern waren schon bei Pflegeeltern, und ich bin auch zu Pflegeeltern gekommen, und zwar bin ich gekommen nach Südungarn in die Batschka, so hat das damals geheißen, zu „Volksdeutschen“. Da ist es mir eigentlich sehr gut gegangen, nur hat das nicht lange gedauert, weil die Russen ja schon im Anmarsch waren, habe ich wieder zurück müssen, nicht, das war... War aber natürlich mein Leiden noch nicht aus, das ist eh klar, weil das Jugendamt war immer noch über mir, mit voller Kraft, die sind hergegangen und haben mich da geschickt in die..., da war ich damals schon 14 Jahre, haben sie mich in die Juchgasse geschickt, das war das Lehrlingsheim, nur bin ich damals nicht vermittelt worden. Ich warte dort 14 Tage, drei Wochen, haben sie dann gesagt, na ja, jetzt wird wer kommen, mich wer hinfahren auf eine Lehrstelle irgendwo, war nicht der Fall. Aber dafür habe ich die Einberufung bekommen, zur Heimatflak. Also mit 14 Jahren habe ich die Einberufung bekommen zur Heimatflak, da bin ich natürlich geflohen, und da hab ich mich eigentlich gehalten bis..., da war es dann schon Februar 1945. Die zwei Monate habe ich mich durchgeschlagen, bis zum Kriegsende. Das war mein tolles Erlebnis, nur ist das, ist das ja auch noch weitergegangen, weil da habe ich damals..., das war dann üblich mit Schleichhandel, ich meine, ich weiß nicht, ob Sie das noch gekannt haben, weil zum Essen hat es ja nichts gegeben, [auf den] Marken war nicht viel drauf, jetzt hat man halt Schleichhandel betrieben. Ich habe da auch Schleichhandel betrieben, mit Saccharin, dann haben sie mich dabei erwischt, habe ich eine kleine Strafe bekommen, und was hat das Jugendamt gemacht? Die haben mich eingewiesen nach Kaiserebersdorf, als Zögling, da war ich vier Jahre, bis zur Großjährigkeit war ich in Kaiserebersdorf. Und das Kaiserebersdorf hat so einen furchtbaren Ruf gehabt, da haben die Leute geglaubt, das sind nur Mörder, oder weiß ich, oder Diebe, oder, ich weiß es nicht, dabei waren das auch nur abgeschobene Kinder, Jugendliche, von den Eltern abgeschoben, oder vom Jugendamt, unerwünscht, das waren die meisten in Kaiserebersdorf. Und da bin ich geblieben bis zu meiner Großjährigkeit, habe ich das Glück gehabt, dass ich dort lernen konnte, und das war auch verbunden mit sehr großer Mühe. Weil da bin ich auch einmal geflohen, und ich habe natürlich mit dem Direktor kein gutes Einvernehmen gehabt, der hat mich nicht lernen lassen, da war ich Hausarbeiter dort, Kohlen tragen und Hof zusammenkehren, und da war der Herr Direktor einmal im Urlaub, und da ist der Herr Oberinspektor durchgegangen, den habe ich ersucht, ob ich lernen darf, und der hat gesagt: „Freilich darfst lernen.“ Und er hat mich da hinaufgeschickt in die..., hat gefragt was ich lernen will, habe ich gesagt: „Naja, Schneiderei halt.“ Dann bin ich hinaufgekommen, Schneiderei, habe dort meine Lehre angefangen, ich habe da gute Zeugnisse, haben Sie die schon gesehen? Ich habe nur Einser und Zweier, ich hatte nichts anderes mehr. Na, dann bin ich eben..., habe ich eben die Schule abgeschlossen, und dann bin ich urplötzlich mit 20 Jahren sofort aus Kaiserebersdorf entlassen worden.
Na ja schlecht, ja dann... Es war nicht so einfach, dann hatte ich eben meinen Beruf gelernt, und dann hatte ich schon jemanden kennen gelernt, dann habe ich verdient, 270 Schillinge in der Woche, habe ich mir nachher eine Wohnung gekauft mit meiner Verlobten, die hat damals gekostet 8000 Schilling, das war ja viel Geld, habe den Beruf stehen lassen, bin Kohlentragen gegangen, dann habe ich gehabt 700 Schillinge in der Woche, nachher, das ist ein Unterschied, habe mir die Wohnung gekauft, abgezahlt gehabt und eingerichtet gehabt, und dann ist die Ehe zu Bruch gegangen...
Habe ich die Scheidung eingereicht, hat sie sich nicht scheiden lassen, zehn Jahre, bin ich zu meinen Pflegeeltern gefahren nach Düsseldorf, die sind dann in Düsseldorf gewesen, sind geflüchtet gewesen, habe ich zehn Jahre in Düsseldorf gelebt gehabt, und dann bin ich zurück gekommen, und dann hat sie sich scheiden lassen, und dann habe ich im Theater wieder gearbeitet, dann war ich eine Zeit in der Ottakringer Brauerei als Bierführer, dann war ich in der Theaterschneiderei, im Theater an der Wien, und zum Schluss war ich in einem Reisebüro tätig, bin ich in Pension gegangen. Aber es war nicht irgendwie aufregend – das Leben.